Blog Detail

Corona ist männlich

Corona ist männlich

Zumindest fällt es uns noch auf: Dass überall nur männliche Experten auf Bildschirmen, in Zeitungen und im Internet über Corona sprechen und schreiben und angebliche Lösungen präsentieren, wie das nun alles zu handhaben sei. Fast scheint es, als hätten sich die Frauen derweil in Höhlen zurückgezogen – abgesehen von wenigen Exemplaren wie Angela Merkel oder Anne Will.

Was sagt uns das? Ist das wirklich ein Zeichen dafür, dass „das Patriarchat lebt“, wie die Zeit schrieb? Oder dass Frauen eben „gerade nicht gefragt“ seien, wie Edition F bissig titelt und damit auf einen Artikel im Mediendienst Kress reagiert? Es wird gestritten über die männliche Dominanz in dieser Krise – das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: Tatsächlich zeigt die Übermacht der männlichen Experten, wie brüchig die Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft noch immer ist. Sobald es schwierig wird, übernehmen die Männer wieder die Schalthebel und die Frauen dürfen sich zurück schleichen in Küche und Kinderzimmer. Das hat nicht nur damit zu tun, dass die Kinder zu Hause sind und bekocht, bespaßt und geschult werden müssen und das in erster Linie die Mütter übernehmen.

Vielmehr zeigt es, dass Männer noch immer als kompetenter, mächtiger und einflussreicher gelten und daher öfter eingeladen werden in Talkshows, Nachrichtensendungen oder Kommentarspalten. Dort sehen wir tagein, tagaus die gleichen Gesichter: Olaf Scholz, Christian Lindner, Markus Söder, Jens Spahn, Armin Laschet, Christian Drosten, Hendrik Streek … Immerhin meldet sich zwischendurch auch Gruner + Jahr-Chefin Julia Jäkel zu Wort, allerdings auch mit einer kritischen Botschaft: Homeoffice bedeute für eine Vielzahl von Frauen vor allem home und wenig office. Die verlagsinternen Videokonferenzen seien gerade hauptsächlich männlich geprägt.

Besonders tragisch ist, dass es Frauen sind, die den Laden hierzulande am Laufen halten, während die Männer um den klügsten Corona-Schachzug oder gar die Kanzlerschaft buhlen. Die Frauen sitzen nämlich keineswegs in Höhlen, sondern schuften in Pflegeberufen oder Supermärkten, chronisch unterbezahlt und virengefährdet und haben gar keine Zeit für Kommentare. Und gefragt werden sie ohnehin selten. Da findet sich eher noch ein männlicher Klinikchef oder Filialleiter, der etwas Kluges sagen kann. In der Leopoldina-Arbeitsgruppe, die die Regierung berät, sind unter 22 Mitgliedern genau zwei Frauen.

Vielleicht hat es ja auch etwas Gutes: Das ganze Schauspiel zeigt uns, dass wir keine Ruhe geben dürfen in Sachen Gleichberechtigung. Es lohnt sich – das sehen wir gerade wieder an der weltweiten Bewunderung, die wir ernten: für unsere Kanzlerin. Sie ist eine der wenigen Naturwissenschaftlerinnen unter den Regierungschefs und kann daher besonders kompetent auf diese Situation reagieren und über sie sprechen. Da halten sogar die Männer manchmal den Mund.

Zurück

Einen Kommentar schreiben

Was ist die Summe aus 1 und 2?