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Jung, weiblich und sehr mutig

Zugegeben: Ich habe nur eine vage Ahnung davon, wie es sich anfühlt, ein Schiff mit 53 geretteten Flüchtlingen bei sengender Hitze über das Mittelmeer zu steuern. Ebenso wenig kann ich mir vorstellen, mit diesem Schiff trotz des Verbots des italienischen Innenministers in den Hafen von Lampedusa einzulaufen – so wie das die Kapitänin Carola Rackete mit dem Flüchtlingsrettungsschiff Sea Watch 3 getan hat, nachdem sie zwei Wochen lang keine Anlegeerlaubnis in einem sicheren Hafen bekommen hatte. Das ist einfach wahnsinnig mutig und verdient großen Respekt.

Beeindruckend finde ich jedoch auch die Art, wie die gerade einmal 31-Jährige über ihre außergewöhnliche Tat spricht: sachlich, unaufgeregt und sehr im Reinen mit sich selbst. „Sollte ich für meine Entscheidung ins Gefängnis müssen, so würde ich mit reinem Gewissen gehen. Weil ich nichts Falsches, sondern in einem menschenverachtenden System das einzig Richtige gemacht habe“, so schreibt sie in ihrem gerade erschienenen Buch. Und so erklärt sie sich in jeder Talkshow, zu der sie eingeladen ist. Sie ist nicht überheblich, sie beschimpft niemanden. Stattdessen beschränkt sie sich auf klare und eindringliche Worte. Rackete: „Wir befinden uns an einem Wendepunkt der Menschheitsgeschichte: Die Ökosysteme werden zerstört, das Klimasystem bricht zusammen. Schützen wir in einer solchen Welt nicht die Rechte anderer Menschen, gefährden wir auch unsere eigenen.“

Carola Rackete, Greta Thunberg und Alexandria Ocasio-Cortez, die jüngste US-amerikanische Kongressabgeordnete und furchtlose Trump-Gegnerin, stehen für diejenigen Frauen, die der Philosoph Arnd Pollmann als neue Heldinnen beschreibt: Sie sind jung, weiblich und sehr mutig und dabei kein bisschen protzig oder großkotzig. Sie sind gar nicht daran interessiert, verehrt zu werden. Dabei tun sie Dinge, die weit über das hinausgehen, was wir moralisch voneinander verlangen können. Und sie handeln laut Pollmann bewundernswert, weil keine Pflicht dazu besteht und ihr Handeln ein persönliches Risiko darstellt. Sie warten nicht länger, bis andere etwas tun. Sie packen an. „Neue Frauen hat das Land!“, freut sich der Philosoph in einem Beitrag im Deutschlandfunk. Auch ich kann nur dazu ermutigen, diese Frauen nicht nur als Heldinnen zu betrachten, sondern auch als Vorbilder für mutiges Handeln. Wir sollten an sie denken, wenn es darum geht, unsere Überzeugungen zu leben und die Zukunft beherzt und tatkräftig zu gestalten – im Großen wie im Kleinen.

Überhaupt nicht verstehen kann ich dagegen, wenn ich höre und lese, wie übel diese tollen Frauen häufig beschimpft und angefeindet werden – von rückwärtsgewandten Menschen, die ihr eigenes Weltbild bedroht sehen. Die erklären, diese Frauen seien naiv, manipuliert oder kriminell. Häufig geschieht dies in einer widerwärtigen Form, die auf übelsten Frauenhass schließen lässt. Aber auch hier erweisen sich die neuen Heldinnen als Vorbilder und lassen sich von dem primitiven Gepöbel nicht beeindrucken, das mindestens zwei niedere Ziele verfolgt: die jungen und engagierten Frauen klein zu halten und sich selbst nicht bewegen zu müssen.

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