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Stereotype? Nein, danke!

Wie fest gelernte Bilder in uns verankert sind und wie sehr sie unser Denken und Handeln beeinflussen, demonstrierte kürzlich die Kuratorin und Regisseurin Maike Mia Höhne in einem Vortrag: Sie ließ die Anwesenden einen Wecker zeichnen – und gemalt wurde daraufhin nicht etwa ein Smartphone oder wenigstens ein digitaler Wecker, wie es unserer Lebensrealität entsprechen würde, sondern der gute alte scheppernde Analogwecker.

Ähnlich darf man sich das wohl mit den Geschlechterklischees vorstellen. Zwar sehen wir schon seit Jahren immer wieder Frauen in Führungspositionen, aber wenn wir uns einen Manager vorstellen sollen, dann denken wir an – na raten Sie mal. Und natürlich hat das einen Einfluss darauf, was wir uns zutrauen und wie andere uns einschätzen und fördern.

Das soll aber nicht heißen, dass es sich nicht lohnen würde, weiter daran zu arbeiten, diese Bilder in unseren Köpfen vielfältiger werden zu lassen. Im Gegenteil: Nur der stete Tropfen höhlt bekanntlich den Stein. Dazu gehört auch, dass wir uns immer wieder bewusst machen, welche Stereotype sich so hartnäckig in uns halten.

Warum zum Beispiel soll denn eine Politikerin nicht eine sogenannte „Schrei-Rede“ halten, wie Andrea Nahles es getan hat? Würde man bei einem männlichen Kollegen, der bei einem Vortrag lauter wird und mit den Fäusten aufs Rednerpult trommelt, auch von einer „Schrei-Rede“ sprechen? Kann es sein, dass sich viele von uns einfach deshalb nicht wohl gefühlt haben mit dem Auftritt von Frau Nahles, weil sie in ihrem offensiven Verhalten und ihren Machtgesten unseren Vorstellungen von Weiblichkeit widersprach? Mag sein, dass die Wortwahl der SPD-Politikerin manchmal ungewohnt derbe ist und natürlich muss das nicht jedem gefallen. Warum aber stören wir uns daran, dass ihr Auftreten – aus unserer Sicht – zu raumgreifend und darum zu „männlich“ ist? Wenn die Bild-Zeitung schreibt, Andrea Nahles sei der „einzige echte Kerl“ der SPD, so sagt das viel über die Geschlechterzuschreibungen in unseren Köpfen. Und es wird Zeit, dass wir genauer hinsehen.

Natürlich geschieht diese Form der Meinungsbildung ganz unbewusst. Aber gerade deswegen ist es so spannend, sich ehrlich damit auseinanderzusetzen. Denn nur so können wir uns den überholten Stereotypen entgegen stellen, die uns immernoch prägen – und beim nächsten Mal vielleicht einen anderen Wecker zeichnen.

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